Die Ausstellung zielt auf neokonstruktivistische und reduktionistische Tendenzen im Werk von Künstlern, die zum Umfeld des Museums Kampa gehören. Mit ausgewählten Werken, überwiegend aus den sechziger und siebziger Jahren, erinnert sie an Künstler, deren Werk das Museum aufmerksam mitverfolgt, in Ausstellungen dokumentiert, fachlich aufbereitet oder in ihrer Sammlung besitzt. Vielen dieser Künstler galt nämlich das Sammlerinteresse der Kunstmäzenin Meda Mládková und mit ihren Werken legte sie den Grundstein für die heutige Sammlung der Museumsstiftung.
Der Besucher findet dort sowohl die wichtigsten Namen der tschechoslowakischen rational orientierten Kunst (z. B. Radek Kratina, Dalibor Chatrný, Stanislav Kolíbal, Jan Kubíček, Zdeněk Sýkora) als auch Künstler, denen zu Unrecht bis heute wenig Beachtung geschenkt wird (Miroslav Vystrčil, Jindřich Boška, František Dörfl, Pavol Binder). Neben den „Klassikern“, die in den sechziger Jahren insbesondere mit der Gründung der Künstlergruppe „Křižovatka“ (1963), der Ausstellung „Neue Sensibilität“ (Nová citlivost, 1968) und der Gründung des international aktiven Klubs der Konkretisten (Klubu konkretistů, 1967) verbunden waren, erhält der Besucher auch Einblick in das Werk mehrerer zeitgenössischer Künstler, die deren Gedanken innovativ aufgriffen und so die Möglichkeiten der Arbeit mit reduktiven Formen, Strukturen und monochromer Malerei weiterentwickeln (Václav Krůček, Jiří Staněk, Břetislav Malý, Petr Dub, Vladana Hajnová).
Die Konfrontation von mehr als dreißig konstruktivistisch gesinnten Künstlern ließ interessante Parallelen sichtbar werden, nicht nur, was die künstlerischen Überlegungen und die Sensibilität angeht, sondern sie zeigt auch eine erstaunliche Nähe im Umgang mit den oftmals sehr spezifischen Materialien, wie Kunststoff (Jiří Bielecki, Jiří Hilmar, František Kyncl), Plexiglas (Radek Kratina, Štefan Belohradský, Kamil Linhart), geschichtetem und geschliffenem Gips (Eduard Antal), halbtransparenter Folie (Václav Krůček) oder PLA-Biokunststoff (Vladana Hajnová). Neben den künstlerischen Themen, die sich aus der Beschaffenheit des Materials ergeben (zerbrechlich, wandelbar, glänzend, flimmernd, beschlagend), erschließt die Ausstellung noch weitere motivische Themenkreise, wie das Interesse an einem regelmäßigen System und seiner Störung, feste Raster und ihre Unterminierung, Vibration und Ruhe, Verdichten und Ausdünnen von Punkten, optische Schwingungen, imaginäre versus reale Bewegung.
Hand in Hand mit der Ausrichtung des Museums Kampa, dessen Programm sich vorrangig dem Leben und Schaffen von Künstlern in den schwierigen Zeiten des Sozialismus, insbesondere unter den Bedingungen der politischen Repressionen nach 1968, widmet, erinnert auch diese Ausstellung im Rahmen eines gesetzten Themas an mehrere Persönlichkeiten, die ihr künstlerisches Programm aus politischen Gründen jenseits der Grenzen ihrer Heimat entwickeln (Jiří Hilmar, Miloslav Moucha, Vladimír Škoda, Miloš Cvach, František Kyncl, Rudolf Valenta).
Obwohl in letzter Zeit mehrere Ausstellungen stattfanden, die dem Neokonstruktivismus, dem Minimalismus, der Kinetischen und der Geometrischen Kunst gewidmet waren, ist die Ausstellung „Die Vieldeutigkeit von Strukturen / Die Dynamik der Kräfte“ ein interessanter Beitrag zu dieser Problematik, und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Neben der Suche nach gedanklichen und thematischen Parallelen quer durch das künstlerische Spektrum, von bekannten bis hin zu wenig beachteten Namen, von Vertretern der Generation der sechziger Jahre bis hin zu zeitgenössischen Künstlern, kann ein weiterer Grund zum Beispiel das Bemühen sein, auch Kunstwerke herauszuheben, die nicht ganz typisch, aber von tragender Qualität, wegweisend und gleichzeitig überraschend sind. Um einen Gedanken Albert Einsteins weiter auszuführen: Nur das, was Erstaunen und Verwunderung weckt, regt uns zum Leben, zur Leidenschaft und zum Erleben an.
Kuratorin der Ausstellung: Ilona Víchová
Prag, Museum Kampa
11. 10. 2019 - 2. 2. 2020