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Bereits seit längerer Zeit beschäftigt sich Zdeněk Sýkora mit der visuellen Struktur und dem Prinzip des Zufalls. Erstmals zeigt sich diese Vorgehensweise in den Strukturbildern der 60er Jahre, in denen die Komposition aus der Anordnung von gleichartigen Bildelementen gewonnen wird. Der Aufbau der Bilder erfolgt zunächst intuitiv, später sind es dann Computerprogramme, die die Kompositionsregeln festlegen. In den früheren Arbeiten dieser Werkphase ist noch deutlich die lenkende Hand des Menschen zu spüren. Die einzelnen Elemente – einfache geometrische Figuren wie Kreis, Quadrat, Rechteck, Dreieck bzw. Teilformen davon – sind in einen übergeordneten, regelmäßigen Raster eingebunden und solchermaßen angeordnet, daß die Gesamtstruktur des Bildes von unregelmäßiger Erscheinung ist.
Die Relation zwischen dem Ganzen und seinen Teilen verliert in den folgenden Werken zunehmend an Bedeutung. Die Flächenformen werden größer, zuerst in den Makrostrukturen, bis sie dann in den Linienbildern ganz eliminiert werden. Allmählich beginnt sich auch die Komposition über die Leinwand hinaus auszudehnen. So setzen sich die einzelnen Elemente, indem sie aus der Achse gekippt werden oder sich im schrägen Winkel gegenüberliegen, über den eigentlichen Bildrand fort.
Das, was wesentlich ist, spielt sich nicht mehr einzig in der Begrenzung des Bildgevierts, sondern im ganzen Raum ab. Die Leinwand versteht sich lediglich als ein Ausschnitt der Welt. In den Linienbildern wird das kombinatorische Moment durch die freie Bewegung der Linien ersetzt. In den frühen Gemälden dieser Werkphase finden sich noch Spuren des gerasterten Bildgrundes, wie er in den Strukturen verwendet wurde, doch dieser wird bald aufgegeben. Die Linien konstituieren sich aus zufälligen Zahlenreihen, aus den Parametern der Tangenten, wodurch di jeweilige Richtung, die Anzahl der unterschiedlichen Richtungsvektoren, die Wahl der Farbe und die jeweilige Lauflänge festgelegt werden. Die zugrundeliegenden Regeln, die schließlich zur Gesamtkomposition führen, werden von Sýkora intuitiv, auf der Basis vorhergehender Erfahrungen bestimmt. Der Zufall wird hier zum konstruktiven Element, indem er sich für eine Variante aus der Menge der vorgegebenen Möglichkeiten entscheidet. Andererseits ist der Zufall aber auch Garant dafür, daß bei der Ausführung des Werkes nur auf die bisher gefundenen Regelprozesse zurückgegriffen wurde.
Die Verwendung des Zufalls als Mittel der Recherche und die darauf basierende Generierung von Variationsmöglichkeiten übt nicht nur auf die Kunst, sondern auch auf die Wissenschaften eine große Faszination aus. Das Zufallsprinzip erweist sich als vortreffliches Instrument, um Unbekanntes sichtbar zu machen, ohne auf deterministische Faktoren Rücksicht nehmen zu müssen. Das Zufallsphänomen stellt sich im Werk Zdeněk Sýkoras nicht nur als eine Analogie zur Methodik theoretischer Erkenntnis und wissenschaftlicher Exaktheit dar, sondern zeugt auch von der Offenheit und Möglichkeit, immer wieder vom Weltgeschehen überrascht zu werden und in diesem ein aktive Rolle zu spielen. So, wie John Cage über seine Musik sagte. „For each of these works I look for something I haven´t yet found. My favorite music is the music I haven´t yet heard. I don´t hear the music I write. I write in order to hear the music I haven´t yet heard.” („Für jedes dieser Werke suche ich etwas, was ich noch nicht gefunden habe. Die mir liebste Musik ist die, die ich noch nicht, die ich schreibe. Ich schreibe, um Musik zu hören, die ich noch nicht gehört habe.“)